Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „Lebensader Bahn – Ukrainische Eisenbahnerinnen und Eisenbahner im Krieg“

Sehr geehrter Herr Botschafter Makeiev, sehr geehrte Frau Staatssekretärin Henckel,
lieber Herr Dr. Lutz, lieber Herr Liashchenko, meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

Krieg wird seit jeher immer auch medial ausgetragen. Insbesondere seit dem 1. Weltkrieg wurden militärische Auseinandersetzungen stets intensiv durch Medien begleitet.

Mit Texten zunächst, dann mit immer mehr Bildern und Filmen. Und: Ganz gezielt gesteuert, als staatlich gelenkte Propaganda.

Im 1. wie im 2. Weltkrieg ging es in der offiziellen Kommunikation stets darum, die sogenannte Heimatfront zu stärken. Denn ein vom Krieg begeistertes Volk war eher bereit, das unbeschreibliche Leid, das Krieg mit sich bringt, zu erdulden: Hunger, Flucht, Vertreibung, Verwundung und Tod. Heute beklagen wir ein ganz neues Ausmaß – in Zeiten des Internets und von Social Media ist die mediale Propaganda allgegenwärtig.

Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zielen die staatlich gelenkten Medienoffensiven vor allem darauf ab, die Deutungshoheit zu gewinnen, um das Handeln in der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen. Es ist erschreckend, wie generalstabsmäßig der russische Diktator Putin seine imperialistischen Ziele vorbereitet hat. Und das bereits über viele lange Jahre hinweg lange vor Kriegsbeginn – oft unbemerkt von der Öffentlichkeit, oft aber auch bewusst ignoriert oder zumindest verdrängt. Durch die systematische Unterstützung rechtsextremistischer, demokratiefeindlicher Kräfte in ganz Europa. Durch mediales Maschinengewehrfeuer auf allen Kanälen. Und durch Manipulation und Fake-News. Nur ein aktuelles Beispiel: Ein Artikel auf unserem NRZ-Portal wurde vor wenigen Tagen gezielt manipuliert und von einer sachlichen Analyse der Haltung der USA zu einem Russlandfreundlichen Pamphlet verändert.

Natürlich geht es auch dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj darum, Deutungsmacht zu gewinnen – nur eben im Sinne eines unabhängigen, sich dem Westen öffnenden Landes, das willkürlich brutal überfallen wurde und nun um Unterstützung der freiheitlichen Welt bittet. Dabei war er sehr erfolgreich: Seine Tweets und Posts haben ganz sicher dazu beigetragen, dass in den westlichen Staaten große Teile der Öffentlichkeit verstanden haben, was auf dem Spiel steht und sogar durch und durch zivile, gar in weiten Teilen pazifistische Gesellschaften wie die deutsche, sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen.

Mitunter kommt es mir so vor, als seien die Medien ebenfalls im Krieg: im Meinungskrieg.

Dieser Vergleich hinkt, ich weiß. Und er ist angesichts des unfassbaren Leids der Ukrainerinnen und Ukrainer natürlich unangemessen. Bitte sehen Sie mir das nach. Jeder Vergleich hinkt.  Mir ist aber eines wichtig: Ich bin davon überzeugt, dass wir heute, angesichts der russischen Aggression auf das ukrainische Volk dringender denn je guten, unabhängigen Journalismus brauchen. Und für guten Journalismus kämpfen müssen.

Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten, in Zeiten, die aufgeheizt, die Stimmungen aufgewühlt sind, Propaganda und Verschwörungserzählungen ihre Hochzeit haben, brauchen wir unabhängigen, allein der Wahrheit verpflichteten Journalismus. Nur durch ihn erhalten wir die Informationen, die wir benötigen, um uns ein genaues, differenziertes Bild von der Situation zu machen. Unabhängiger Journalismus schafft die Voraussetzungen für unsere Einschätzungen und Urteile. Er schafft die Grundlage, auf der wir unsere Meinungen und Entscheidungen bilden können.

Meine Damen und Herren,

in der Ukraine werden die westlichen Werte, wird die Demokratie angegriffen. Nicht weniger. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Lebenswirklichkeit von Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern dramatisch verändert. Zehntausende Menschen sind gestorben oder auf fürchterliche Weise verletzt worden. Kinder verbringen Tage und Nächte in Luftschutzkellern, anstatt in die Schule zu gehen. Raketen und Granaten zerstören in Sekundenbruchteilen, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Städte und Dörfer liegen in Trümmern.

Damit Demokratie lebendig bleibt, braucht es, wie wir es bei FUNKE in unserer Vision formuliert haben, „eine offene, informierte Gesellschaft“. Dazu trägt unabhängiger Journalismus entscheidend bei. Denn nur, wer etwas weiß und verstanden hat über die „res publica“, über die öffentlichen Angelegenheiten, wird bereit sein, sich für die Demokratie einzusetzen. Und genau das ist die Aufgabe des Journalismus. So wie die Eisenbahn die Lebensader der Infrastruktur in der Ukraine ist, so ist unabhängige Berichterstattung das Lebenselixier für freiheitliches Denken.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist auch ein Krieg um demokratische Werte und Redefreiheit: Durch nichts dürfen die Menschen von ihrem Grundrecht auf unabhängige Information abgeschnitten werden.

Deshalb gilt mein Dank der Deutschen Bahn AG dafür, dass wir mit dieser wichtigen Ausstellung noch mehr Menschen erreichen und informieren können. Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus unseren herausragenden Journalisten Reto Klar und Jan Jessen, die regelmäßig für die FUNKE-Leserinnen und Leser, Userinnen und User aus der Ukraine berichten und dabei so mutig die demokratischen Werte leben, für die wir bei FUNKE mit unserer journalistischen Arbeit einstehen.

Parallel zur Ausstellung erscheint heute ihr Buch „Leben in einem Albtraum“ im Klartext Verlag, der zu FUNKE gehört: Ein lebendiges Tagebuch des Kriegsalltags, zusammengestellt von einem unserer besten Fotografen und einem unserer Top-Journalisten im März 2023. Das Buch von Jan Jessen und Reto Klar macht sichtbar, wie Krieg Menschen verändert. Die beeindruckenden Fotos berühren, die authentischen Geschichten lassen mich nicht mehr los. 

Fotos und Reportagen in diesem Band lehren uns, was es heißt, wenn Krieg allgegenwärtig ist, wie er sich anfühlt, wie er ein Land und seine Einwohnerinnen und Einwohner verändert. Sie handeln von Trauer und Schmerz, aber auch von dem Mut und dem unbändigen Widerstandsgeist der Menschen in der Ukraine.

All das kann man in den Bildern von Reto Klar und den Texten von Jan Jessen fast körperlich spüren. Sie sind aufklärerisch im besten Sinne des Wortes.

Ich freue mich und es ist mir eine Ehre, mit Ihnen allen zusammen die Ausstellung „Lebensader Bahn – Ukrainische Eisenbahnerinnen und Eisenbahner im Krieg“ mit Fotos von Reto Klar und Texten von Jan Jessen eröffnen zu dürfen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Zurück