"Mit unserem FUNKEONE Ansatz lagen wir im Timing ganz ungeplant genau richtig" meint Christian Siebert

Start der neuen Einheit war im März, zeitgleich mit der Hochphase der Corona-Krise in Deutschland. Kein guter Zeitpunkt, oder?

Christian Siebert: Auf den ersten Blick scheint 2020 kein perfektes Jahr, um mit einer neuen Unit Evolution im Verlag zu proben. Aber das erste Halbjahr ist vorbei und wir dürfen festhalten: Mit unserem FUNKE ONE Ansatz lagen wir im Timing ganz ungeplant genau richtig. Zugegeben, es ist keine neue Idee, die tiefe Verwurzelung von Regionalmedien mit passenden überregionalen Themen und profundem Storytelling zu verbinden. Aber das schlagartig gestiegene Bedürfnis der Branche nach veränderten Arbeitsweisen, flexibler Produktentwicklung und neuen Vermarktungskonzepten hat den Druck stark erhöht – und unseren Job in Wahrheit auch einfacher gemacht. Aber abzusehen war das nicht. 

Wie sah euer Start aus?

Christian Siebert: Wir sind zielgerichtet – aber geradezu verträumt, im Vergleich zu heute – in das Jahr 2020 gestartet mit hochpreisigen biographischen Konzepten, die Menschen von einem grandiosen Jahr schwärmen lassen und zu Großem inspirieren wollten.

Sebastian Kadas: Wir glaubten, hier bereits Ende 2019 einen Trend erkennen zu können. Die Bookazines zu Designer Virgil Abloh und Reitsportlegende Isabel Werth im Februar und März wurden dann auch schnell zu Amazon-Bestsellern.

Christian Siebert: Ab April hätten regionalisierte Print/Bewegtbild-Konzepte folgen sollen, um den Vermarktungskollegen und -kolleginnen der Regionalmedien neuartige, hochwertige Umfelder und Erlösmodelle zu ermöglichen.

Dann kam der Lockdown Light …

Christian Siebert: Deshalb wurde daraus nichts. An Vermarktung war im März zeitweise schlicht nicht zu denken.

Sebastian Kadas: Jetzt beeinflussten „Corona-Trends" wie Cocooning, Urban Gardening oder die allgemein gestiegene „Mindfulness“ unsere Produktplanung. Die ursprünglich geplanten Produkte wurden auf Ende des Jahres verschoben – frühestens. Ein kontinuierliches Monitoring der User Journeys innerhalb unserer Markenportale, ePaper-Apps und natürlich auch Google halfen uns, die Stabilität der neuen Trends in unseren Zielgruppen einzuschätzen, um letztlich die Produktentwicklung effektiv zu steuern.

Wie schnell konntet ihr umplanen?

Sebastian Kadas: Nachdem wir überzeugt waren, dass z.B. Selbstversorgung ein anhaltendes Thema bleiben würde, gaben wir gut vier Wochen nach Beginn des Lockdowns den Startschuss für das regionalisierte Food&Gardening-Konzept „Anbauen und Genießen – das gute Leben auf dem Hinterhof“. Für die erste Ausgabe haben wir zwar Inhalte lizensiert, die entscheidenden Stücke sind jedoch beheimatet in unseren Verbreitungsgebieten. Innerhalb von zwei Wochen entstand so auf Basis von Geschichten der Tageszeitungen ein wunderbares Magazin, dessen Inhalte in überarbeiteter Form wiederum die Seiten der Tageszeitungen füllten.

Wie schwierig war der Verkauf?

Christian Siebert: Aufgrund vieler geschlossener Verkaufsstellen und fehlender Pendler verlagerten wir den Verkauf auf digitale Kanäle sowie möglichst gut zugängliche Presseverkaufsstellen. Thema, Timing, Vertriebsansatz passten, „Anbauen & Genießen“ wurde schnell zu einen Amazon Bestseller mit bisher fast 20.000 verkauften Exemplaren. Und auch der Start der zweiten Ausgabe läuft ähnlich vielversprechend. Wir gehen davon aus, das Konzept in 2021 regelmäßig, mit noch stärker ausgeprägten regionalen und vor allem digitalen Komponenten wiederzusehen.

Dann folgte ein weiterer Titel, der perfekt in die Zeit zu passen scheint.

Sebastian Kadas: Noch während der Druckabgabe wurde klar, dass Garten und Balkon dieses Jahr nicht nur zur Selbstversorgung, sondern für viele Menschen auch als Urlaubsort dienen würden. Auf Initiative der Kollegen und Kolleginnen aus NRW entstand so aus dem nun eingespielten Team das Reise- und Urlaubsmagazin „Zuhause Unterwegs“  ein serviceorientiertes Konzept mit Urlaubstipps für Kurzreisen und Tagestrips, erreichbar innerhalb von zwei bis drei Autostunden in den jeweiligen Verbreitungsgebieten.

War der Titel erfolgreich?

Christian Siebert: Der Titel war noch vor Verkaufsstart durch Vorbestellungen bei Amazon ausverkauft und lag zwischenzeitlich auf Platz 30 aller auf Amazon in Deutschland verkauften Bücher. Besonders bemerkenswert: Mit „Zuhause Unterwegs“ entstand innerhalb von drei Wochen im HomeOffice ein nationales Reisemagazin – weil wir von der inhaltlichen Verwurzelung der Tageszeitungen in ihren Regionen profitieren konnten. Die synergetische Nutzung von Inhalten innerhalb der Gruppe macht das erst möglich, lediglich das Bildmaterial wurde neu recherchiert.

Hält das Interesse an „Corona-Trends“ an?

Christian Siebert: Aktuell beobachten wir bei Usern und vor allem auch Markenpartnern wieder Trends zu weltgewandteren Themen, was sich wohl auch in unseren Launches in Q3 und Q4 widerspiegeln wird.

Sebastian Kadas: Mit der neuen Ausgabe von „Fashion Stories“ zu Versace greifen wir im Lesermarkt diese Sehnsüchte unserer Leserinnen und Leser auf. Donatella Versace ist eine Ikone der extravaganten Mode, ihr Bruder und Gründer des Modeimperiums Gianni Versace war ein Meister der Inszenierung. Für die aktuelle Ausgabe gab Donatella uns ein weltexklusives Interview und gibt Einblicke in die Welt der Marke. Eine Highlight-Ausgabe – nicht nur im Lesermarkt, sondern auch ein strategisches Projekt. Im Anzeigenmarkt erweitern wir mit der „Fashion Stories“ Reihe unsere Präsenz im Lifestyle-Segment, um Marken an unser Haus heranzuführen, die bisher gar nicht oder wenig mit uns gearbeitet haben.

Was kann FUNKE One besonders gut?

Christian Siebert: Entscheidend für den Erfolg der Konzepte ist – wenig überraschend – das gute Zusammenspiel von Redaktion und Vermarktung. Das vielleicht beste Beispiel für die eng abgestimmte Arbeitsweise in der Krise ist das Verbrauchermagazin IMTEST: ein medienübergreifendes Content Vertical, das die Tageszeitungen und Zeitschriften unserer Gruppe mit neuen Verbraucherthemen unterstützt …

Sebastian Kadas: …und nicht zuletzt neue Vermarktungskonzepte für unsere Kolleginnen und Kollegen im Verkauf schaffen soll. Inklusive unabhängiger Vergleichstests durch Testlabore und regionale Erhebungen durch externe Markforschungsinstituten.

Eigentlich ein Vor-Corona-Produkt …

Christian Siebert: Ja und Nein. Wenn der Anzeigenschluss der ersten Ausgabe auf den ersten Tag eines wirtschaftlichen LockDowns fällt, entstehen natürlich große Herausforderungen. Auf der anderen Seite scheint der Bedarf nach neuen Konzepten im Leser- wie im Anzeigenmarkt durch Corona noch gestiegen zu sein. In langen internen Videokonferenzen haben wir uns daher entschieden, in den Markt zu gehen. Und das mit Vollgas in Form von über 1 Mio. Exemplaren in den Regionalmedien und nun auch einem eigenen Kaufmagazin.

Ist das nicht ein ungeheures Risiko?

Christian Siebert: Offen gesagt überschaubar. Die Trends haben gezeigt, dass die Redaktion um Axel Telzerow inhaltlich genau die Themen geplant hatte, die unsere ins Home Office geschickten Leser besonders interessierten: Kein ÖPNV – welches eBike soll ich kaufen; Laptop ist schon zu viel alt – welches Modell soll ihn jetzt ersetzen; welcher Streaming-Dienst in der Beste und welchen Fernseher brauche ich?

Sebastian Kadas: Die hohen Nutzungsraten der IMTEST Inhalte auf den Portalen der Tageszeitungen und Zeitschriften, die millionenfach gelesenen ePaper-Inhalte und nicht zuletzt die vielen Einsendungen der Leser und Leserinnen unserer Regionalmedien haben unsere Entscheidung aus User-Sicht bestätigt.

Wie sieht es in der Vermarktung aus?

Christian Siebert: Die Einschätzung zum Anzeigenmarkt war mindestens genau so entscheidend. Wir konnten die ersten Ausgaben mit neuen überregionalen Partnern gestalten und sind mit einem blauen Auge in den Ring gestiegen. Entscheidend war aber die Einschätzung zur künftigen Entwicklung. Es wird entweder eine Zeit nach der Krise geben – oder aber die Krise wird zum Normalzustand. In beiden Fällen brauchen wir zwingend neue Formate und Umfelder mit hohem Engagement, um Anzeigenkunden den Weg zurück in die Regionalmedien zu erleichtern. IMTEST-Inhalte schaffen das nachweislich. Wir fühlen uns daher aktuell bestätigt, das Risiko eingegangen zu sein. Sowohl der regionale Anzeigenverkauf, die überregionalen Markenpartnerschaften und auch die Erlöse durch Nutzungsgebühren des IMTEST-Siegels steigen seit der ersten Ausgabe monatlich sprunghaft an.

Was nehmt ihr aus dem ersten halben Jahr mit diesen extremen Herausforderungen mit?

Christian Siebert: Die Krise macht uns effizient, fördert innovative inhaltliche Konzepte und reduziert die Time to market. Ohne die Krise wären wir nicht so schnell. Wir bleiben dran. Da sind wir zuversichtlich und vor allem dankbar für ein Team, das in der Krise entlang der Lebenswelt unserer Leserinnen und Leser mit sauberem Journalismus funktionierende Geschäftsmodelle ausbaut.

Sebastian Kadas: Die Neuentwicklungen in diesem Jahr aus allen Bereichen des Unternehmens zeigen, das Funke auch unter herausfordernden Bedingungen zukunftsgewandt und erfolgreich arbeiten kann. Wenn wir unser Portfolio weiter konsequent ausbauen und auch strategische Partnerschaften eingehen, sehen wir uns gut gewappnet für die Herausforderungen der Zukunft. 


Christian Siebert ist Geschäftsführer von FUNKE One GmbH, eine Anfang 2020 gegründete Unit, die zusammen mit den Zeitschriften und Tageszeitungen „Branded Content“ entwickeln und produzieren. Siebert setzt sich dafür ein, dass neue Erzählformate geschaffen werden, die ein optimales Werbeumfeld bieten.

Sebastian Kadas ist Chief Product Officer von FUNKE One und verantwortet die Produktentwicklung und Strategie. Vorher leitete er knapp anderthalb Jahre den Bereich „New Business“ der FUNKE Mediengruppe und legte mit seiner Arbeit das Fundament von FUNKE One. Der Bereich „New Business“ ist in der neuen Tochtergesellschaft der FUNKE Mediengruppe aufgegangen.

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